Essattacken und Kohlenhydrate
Wie eine kohlenhydratarme Ernährung, Stress und hohe Emotionen zu Kontrollverlust führen
Immer mehr linien- und gesundheitsbewusste Menschen lassen sich vom Trend der kohlenhydratarmen Ernährung anstecken und essen Brot und Teigwaren nur noch mit schlechtem Gewissen. Auch innerer Druck oder starke Emotionen sind Risikofaktoren, welche zum Kontrollverlust führen können: zu schnell, zu viel, das Falsche… die Essattacke!
Was ist eine Essattacke?
Von Essattacken sind nicht nur Übergewichtige, sondern auch Normal- und Untergewichtige betroffen. Es ist die Gier, auch ohne Hunger essen zu wollen. Das Gefühl, nicht mehr stoppen zu können, und schliesslich viel zu viel auf einmal zu essen.
Von einer Essstörung spricht man aber erst, wenn Essattacken mehrmals pro Woche und über mehrere Monate vorkommen, und wenn die gegessene Menge mehrere 1000 Kalorien beträgt.
Wer also ab und zu eine Tafel Schokolade oder 3 Scheiben belegte Brote extra isst, empfindet das vielleicht als Essanfall oder Kontrollverlust, es ist aber noch längst keine ernsthafte Störung.
Wie eine kohlenhydratarme Ernährung die körperliche Gier fördert
Meistens wird in der Zeit, bevor die Essattacken das erste Mal auftreten, eine energiereduzierte oder sehr kontrollierte Ernährungsweise praktiziert. Besonders eine zu starke Reduktion der Kohlenhydrate (Brot, Teigwaren, Reis, Kartoffeln, Zuckerhaltiges) führt früher oder später zu der unkontrollierbaren Gier:
Unser Glykogenspeicher (Stärkespeicher) kann 300-500 g reine Kohlenhydrate aufnehmen. Das entspricht 300-500 g Zucker oder 15-25 Scheiben Brot oder 1,5-2,5 kg gekochte Teigwaren. Dies ist unsere Notreserve, die schnellst verfügbare Energie, welche wir für hohe körperliche Anstrengungen und im Stress benötigen.
Ist der Glykogenspeicher über längere Zeit sehr tief (kohlenhydratarme Ernährung), sucht sich der Körper einen Weg, um seine Reserven wieder aufzufüllen. Lust auf Süsses oder auf bestimmte Nahrungsmittel sind die ersten Anzeichen. Schliesslich entsteht eine Gier, sie wird immer grösser und setzt sich durch, sobald unser kontrollierendes Verhalten inaktiv ist: im Schlaf, kurz nach dem Erwachen, im Stress, bei Erschöpfung, Müdigkeit und emotionaler Belastung. Dann ist die grösste Gefahr am grössten, dass wir dem körperlichen Verlangen nachgeben.
Wer genug Stärkeprodukte zu sich nimmt, sorgt also für einen gefüllten Glykogenspeicher, der Körper ist ruhiger und auch im Stress leistungsfähiger und weniger anfällig für Essattacken.
Emotionen, Stress und Erschöpfung als Risikofaktoren
Wenn der Alltag zu intensiv, oder die emotionale Belastung zu gross ist, steigt die innere Anspannung. Und irgendwann stehen wir so unter Druck, dass wir uns nach einem Ventil sehnen, um Dampf abzulassen.
Meistens kommen gleichzeitig der Lebensgenuss und die Erholung zu kurz. In uns entsteht ein Defizitgefühl („du hast dir etwas verdient“), und früher oder später geht uns die Energie aus: Erschöpfung und Müdigkeit machen uns kraftlos, lassen gute Vorsätze schwinden. Die Fähigkeit, sich zu kontrollieren sinkt und unvernünftige Ideen nach einem Ausgleich tauchen auf: „Womit könnte ich mich jetzt verwöhnen?“, „Was soll ich mir leisten?“.
Essen ist immer eine einfache, schnelle und stets verfügbare Lösung, um sich zu beruhigen, abzulenken, sich zu entspannen und zu verwöhnen. Und irgendwann geben wir dem Verlangen nach.
Je grösser das körperliche und psychische Defizit sind, um so grösser auch die Gefahr, mit Essen zu kompensieren: essen zu schnell, zu viel und bis zu einem unangenehmen Völlegefühl. Danach fühlen wir uns schrecklich. Einige schalten nach einer Attacke eine Fastenphase ein, andere erbrechen, nehmen Abführmittel, treiben Sport usw.
Eine kohlenhydratarme Ernährung und eine zu angespannte Lebenssituation sind die grössten Risikofaktoren für die Entstehung von Essattacken.
Die Lösung?
Wichtig ist, im Alltag genug Stärkeprodukte einzubauen, damit sich die Gier beruhigt. Meine Klienten/-innen fühlen sich meist schon nach wenigen Tagen physisch und psychisch ruhiger und kraftvoller. Eine vollständige Beruhigung kann nach wenigen Wochen angepasster und ausgewogener Ernährung eintreten.
Stressabbau, sich besser abgrenzen, Zeit für eigene Interessen und wirkungsvolle Ventile (Sport, Entspannung, Hobbies) usw. sind ebenfalls wertvolle Hilfestellungen, die sich Schritt für Schritt umsetzen lassen.
Und schliesslich können auch gute Fachpersonen aus dem Bereich Ernährung, Psychologie usw. helfen, dass das Leben wieder ruhiger, ausgeglichener und genussvoller wird.
Viel Erfolg
Herzlichst
Heike Hinsen